SPD Ortsverein Bietigheim-Bissingen

 

SPD-Fraktion: Rede zum Haushalt 2019

Veröffentlicht in Fraktion

Volker Müller, Fraktionsvorsitzender der SPD im Gemeinderat der Stadt Bietigheim-Bissingen Rede zum Haushalt 2019  es gilt das gesprochene Wort.

Das Jahr 1918 war für Deutschland und Europa ein Schicksalsjahr. Das Ende des I. Weltkrieges hinterließ in Frankreich eine Trümmerlandschaft und Millionen Tote. In Europa brachen Monarchien zusammen, in Deutschland wurde die Republik ausgerufen.

Herr Oberbürgermeister, liebe Mitglieder des Gemeinderats, liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, Sie fragen sich sicherlich, was hat das mit den Haushaltsberatungen für das Jahr 2019 zu tun? Nach Hass und Verheerungen war Versöhnung schwierig, trotz vieler Bemühungen auf allen Seiten scheiterten diese.

 

Der II. Weltkrieg übertraf durch seine Brutalität und seine 50 Millionen Tote alles bisher vorstellbare Maß an Vorstellungskraft - er wurde durch die Verbrechen Deutschlands zum Zivilisationsbruch. Umso verdienstvoller war es, dass eine tief reichende Versöhnung zwischen den ehemaligen Kriegsgegnern gelang. Diese wurde ermöglicht nicht nur durch wirtschaftliche Zusammenschlüsse, sondern auch durch vielfältige Kontakte der Menschen. Viele Begegnungen mit unseren Partnerstädten Sucy en Brie, Surrey Heath und Overland Park machten aus ehemaligen Gegnern Freunde.

Diese Freundschaft muss gepflegt werden - heute genauso wie vor 50 Jahren. Wer den Rechtsruck und die Entwicklung nationalistischer Tendenzen in Europa und Amerika mit Sorge betrachtet, der muss handeln, auch im Kleinen. Deshalb hat die SPD-Fraktion unter Federführung meines Fraktionskollegen Günter Krähling bereits im Juli dieses Jahres einen Antrag eingebracht. Ziel war, die Schaffung einer Stelle in der Verwaltung, die sich ausschließlich mit der Pflege und dem Ausbau der Städtepartnerschaften befasst. Zum Aufgabenbereich sollten auch Planung und Durchführung multinationaler Begegnungen verschiedener Bevölkerungsgruppen (insbesondere Jugendlichen) mit unterschiedlichen Schwerpunkten gehören.

Erfreulicherweise hat dieser Antrag bereits Eingang in den Haushalt gefunden, wir bedanken uns bei der Verwaltung und den anderen Fraktionen. Dank auch für die Übernahme unseres Haushaltsantrags - initiiert von Stadtrat Kai Emmert - auf Benennung des bisher namenslosen Platzes zwischen Metter - Enz - Holzgartenstraße - Steigerturmparkplatz nach unserer amerikanischen Partnerstadt Overland Park. Die offizielle Namensgebung kann bei dem Besuch der Delegation aus Overland Park im Mai nächsten Jahres erfolgen.

Meine Damen und Herren, das Jahr 1918 steht auch für die erste erfolgreiche Revolution in Deutschland. Mit der Ausrufung der Republik begann das Experiment Demokratie. Es ist fehlgeschlagen, auch weil weite Kreise der Bevölkerung nicht beachtet haben: "Wer die Demokratie vernachlässigt, den verlässt sie." Demokratie funktioniert durchs Mitmachen, aber die Gewählten müssen auch liefern. Anträge und Initiativen zählen zu den wirkungsvollsten Instrumenten der Abgeordneten und Gemeinderäte. Sie zeugen von der Möglichkeit und dem Willen, das Gemeinwesen zu gestalten und den Menschen zu dienen.

Diese erwarten:

1. wirtschaftliches und soziales Auskommen,

2. Perspektiven für die Zukunft,

3. Sicherheit und Entfaltungsmöglichkeiten; eine gut funktionierende Verwaltung wird dabei

4. vorausgesetzt. In unserer Region bestimmt vor allem der Faktor Wohnen, ob mann / frau / Familie wirtschaftlich zurechtkommen.

Die SPD-Fraktion hat bereits im Jahre 2015 mit ihrem Antrag "Wohnoffensive 2016" auf den Wohnraummangel hingewiesen und ein ganzes Maßnahmenbündel eingefordert. Vieles wurde von unseren 10 Punkten bereits abgearbeitet. Regelmäßig, so auch in diesem Haushalt, erhält die Bürgerstiftung Zustiftungen, um bezahlbaren Wohnraum zu schaffen.

Wer sich einen Eindruck von den Baumaßnahmen machen will, dem empfehle ich einen Besuch der Baustellen im Ellental. Hier entstehen gerade 6 mehrgeschossige Gebäude. Was uns besonders freut, ist die Auflage an Bauträger, 20% des neu geschaffenen Wohnraums für bezahlbare Mieten im Bestand zu halten. Insbesondere hervorheben möchte ich die Bietigheimer Wohnbau, die ihrem sozialen Auftrag durch Erhöhung der Anzahl ihrer Mietwohnungen nachkommt. Es freut uns auch, dass andere Fraktionen die Brisanz der Wohnungsknappheit entdeckt haben. Wir begrüßen deshalb die Stoßrichtung des CDU-Antrags, innerhalb der nächsten Jahre im Segment des Mietwohnungsbaus zu klotzen, nur halte ich den Weg dazu nicht für gangbar - dazu aber später.

Maßnahmen, zügig günstige Wohnungen zu schaffen, werden diesen und den nächsten Gemeinderat weiterhin beschäftigen. Wir würden es begrüßen, wenn dabei auch bisher nicht diskutierte Wege wie Erbpacht und Förderung von Genossenschaftswohnungen beschritten werden.

Meine Damen und Herren, Förderung des Wohnungsbaus ist nur leistbar, wenn die städtischen Finanzen dies hergeben. Der Finanzmittelbedarf für unsere Investitionen kann jedoch nicht voll finanziert werden, wir müssen in die liquiden Mittel greifen. Diese werden nachweislich der mittelfristigen Finanzplanung weiter absinken, allerdings nicht ganz aufgezehrt werden. Hoffen wir, dass die Konjunktur und die irrationale Zollpolitik des amerikanischen Präsidenten uns keinen Strich durch die Planung machen.

Der Ergebnishaushalt weist einen Überschuss von 4 Mio aus, und damit beginnt die positive Betrachtung der städtischen Finanzen. Dank höherer Steuereinnahmen und Zuweisungen kann die Stadt ihre Pflichtaufgaben erfüllen, die Abschreibungen voll erwirtschaften und die vielen freiwilligen Leistungen für die Bürgerschaft finanzieren. Allerdings sind die hohen Investitionskosten für den Aus- bzw. Neubau der Kitas und Sportanlagen im vorliegenden HH nicht eingepreist, der Nachtragshaushalt wird nächstes Jahr genauere Zahlen liefern.

In Haushaltsreden vergangener Jahre brachten GAL und FW eine Erhöhung der Realsteuern ins Spiel, ohne dass Taten folgten. Die CDU-Fraktion wird jetzt konkreter und fordert eine Erhöhung von Gewerbe- und Grundsteuer. Angesichts der beschriebenen sehr guten Haushaltszahlen erscheinen uns die Vorstöße zur Steuererhöhung rational nicht nachvollziehbar. Oder möchten genannte Fraktionen eine Steuererhöhung auf Vorrat? Vielleicht hilft einigen der Blick in die Gemeindeordnung (§ 78), die eine klare Rangfolge der Einnahmenbeschaffung vorschreibt, nämlich das Prinzip der Steuersubsidiarität: Zuerst kommen die "Sonstigen Einnahmen", wie Pachten, Verkaufserlöse, Konzessionsabgaben, danach "Spezielle Entgelte" z.B. Verwaltungs- und Benutzungsgebühren, Erschließungsbeiträge und dann erst an dritter Stelle die Steuern. Bei gleichzeitig niedrigen Gebühren und Beitragssätzen darf die Gemeinde nicht die Realsteuern erhöhen.

Wir sind in Bietigheim-Bissingen seit Jahren stolz auf die niedrigen Gebühren und Beiträge, die wir unseren Bürgerinnen und Bürgern in Rechnung stellen müssen. Dies soll so bleiben, Häuslesbesitzer, Mieter und die Wirtschaft dürfen nicht ohne Not belastet werden.

Meine Damen und Herren, die Bürgerinnen und Bürger erwarten von ihren Gewählten wie oben angeführt Maßnahmen zur Zukunftssicherung. Wenn Kinder unsere Zukunft sind, dann sollten sie bei Investitionen und Leistungen an erster Stelle stehen. Das Programm zum Aus- und Neubau von Kitas hat der Gemeinderat einmütig beschlossen. Über die zeitliche Abarbeitung werden noch Beschlüsse folgen. Was für die SPD-Fraktion allerdings gar nicht mehr geht, ist eine Erhöhung der Kita-Gebühren. Wir stehen für gleiche Bildungschancen und damit gebührenfreie Bildung von der Kita bis zum Abschluss des Studiums oder der Ausbildung. Kita-Gebühren sind nichts anderes als zusätzliche Belastungen für diedurch Wohnungskosten ohnehin gebeutelten Familien. Das häufig vorgebrachte Argument Qualität habe Vorrang, zieht nicht, da die gesetzlichen Vorgaben des Landes bezüglich des Personalschlüssels ohnehin bundesweit an der Spitze liegen. Hier ist kaum noch Spielraum.

Wir erwarten von GAL und CDU, dass sie ihren Einfluss auf die Landesregierung nutzen, damit das von Bundesfamilienministerin Giffey auf den Weg gebrachte "Gute-Kita-Gesetz" zügig umgesetzt wird. Immerhin stehen für Baden-Württemberg binnen 4 Jahren 718 Mio zur Verteilung an die Gemeinden an. Zweifellos gehört zu den Maßnahmen zur Zukunftssicherung der Schutz der Umwelt und die Bewahrung der Schöpfung. Viele kleine Maßnahmen können sich ganz schön aufaddieren. Unter Federführung meiner Fraktionskollegin Ines Kimmich reichte die SPD-Fraktion einen Antrag zur Einführung eines städtischen Kaffeebechers ein. Zweck ist, den Gebrauch von Einwegbechern einzuschränken. Die Verwaltung hat binnen 6 Wochen positiv geantwortet und wird zusammen mit der Firma RECUP, der AVL und den Aktiven Unternehmern bei den Kaffee ausschenkenden Betrieben für die Teilnahme an diesem Mehrweg-System werben. Einwegbecher verursachen nicht nur negative ökologische Folgen, sie tragen auch zur ohnehin zunehmenden Vermüllung der Stadt bei. Viele Bürgerinnen und Bürger erkennen darin auch ein gewisses Versagen der öffentlichen Ordnung, schließlich ist das Entsorgen von Abfall in der Öffentlichkeit strafbar.

Damit komme ich zu den Punkten 3 und 4, der Schaffung von Sicherheit im öffentlichen Raum und der Stärkung der Funktionsfähigkeit der Verwaltung. Unsere Anträge zum kommunalen Ordnungsdienst, zur Videoüberwachung und zu Vandalismusschäden an den Schulen sind noch nicht zur Gänze abgearbeitet, deshalb möchte ich nicht weiter darauf eingehen. Haushaltsrelevant ist jedoch die Stellenvermehrung im zweistelligen Bereich. Prinzipiell unterstützt die SPD-Fraktion diese Personalmaßnahme. Wir wollen keine schlanke, sondern eine funktionierende und bürgerfreundliche Verwaltung. Denn niemand steht gerne vor verschlossenen Büroräumen wie in Bissingen oder wartet ewig auf einen Termin z.B. zur Rentenbeantragung. Auch die Erledigung eines Baugesuchs soll flott über die Bühne gehen.

Die Verwaltung hat in den Vorberatungen ihre Stellenvermehrung präzisiert und teilweise korrigiert, deshalb können wir auch diesem Teil des Haushalts zustimmen. Meine Damen und Herren, viele Themen der Kommunalpolitik kann ich mangels Zeit diesmal nicht ansprechen. Stellungnahmen der SPD-Fraktion zum Dauerthema Verkehr, zu unserem neuen Bogenviertel, zu Gewerbeflächen und Wirtschaftsförderung u.a. finden Sie auf unserer Homepage.

Das Thema Sportstätten wird den Gemeinderat bald wieder und hoffentlich endgültig beschäftigen. Eine umfassende und tiefschürfende Ausarbeitung wurde dazu erarbeitet und ist auch der Öffentlichkeit zugänglich.

Meine Damen und Herren, ich habe anfangs meiner Ausführungen Erwartungen formuliert, die die Bürgerschaft vom Staat/der Gemeinde erwartet:

1. wirtschaftliches Auskommen

2. Zukunftsperspektiven,

3. Sicherheit und

4. eine gut funktionierende Verwaltung.

Letztere kann aber nur funktionieren, wenn die Bürger mitmachen und sich in die Gesellschaft einbringen. Stellvertretend für viele andere möchte ich dieses Jahr den Verein "Barrierefreie Stadt" erwähnen. Es ist mehr als beeindruckend, was dieser junge Verein für die Interessen von Menschen mit Handicap in unserer Stadt geleistet hat, vielen Dank Frau Völkel und Herr Sämann.

Liebe Gemeinderatskolleginnen und -kollegen, liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, gestatten Sie mir bitte eine kurze "Nachspielzeit". Zum 21. Mal halte ich heute die Haushaltsrede für die SPD-Fraktion - es ist meine letzte. Denn nach 25 Jahren Mitgliedschaft werde ich nicht nochmals für den Gemeinderat kandidieren. Wenn ich z.B. mit meinem Enkel spiele, stelle ich immer häufiger fest: Es gibt ein schönes Leben auch ohne Kommunalpolitik. Dies soll aber niemanden abhalten zu kandidieren, aber alles hat seine Zeit.

Ich bedanke mich bei Ihnen/Euch allen fürs aufmerksame Zuhören und den freundlichen Beifall über die ganzen Jahre hinweg. Ich wünsche Ihnen/Euch und unserer Stadt alles Gute.

Vielen Dank.

Volker Müller, SPD-Fraktionsvorsitzender

 

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